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Folgeverordnung von Lungensport

Nach Absolvierung der Erstverordnung von 50 bzw. 120 Übungseinheiten kann eine weitere Lungensport-Verordnung ausgestellt werden. In dieser sollte begründet werden, warum ein erhöhter Supervisionsbedarf gegeben ist, der bedingt, dass die Übungen nicht allein vorgenommen werden können. Dieser erhöhte Überwachungsbedarf kann einerseits durch die zugrundeliegende Lungenerkrankung begründet sein, zum anderen durch Komorbiditäten.

Zugrundeliegende Lungenerkrankung

Exazerbationen: Wenn im Rahmen einer Atemwegserkrankung gehäuft akute Verschlechterungen, sogenannte Exazerbationen auftreten, kann dies einen erhöhten Supervisionsbedarf notwendig machen.

Respiratorische Insuffizienz: Auch die respiratorische Insuffizienz, die unter Belastung zu einem Sauerstoffabfall führt, erklärt einen höheren Betreuungsbedarf.

Daten zu Effekten wiederholter nicht-medikamentöser Maßnahmen unter [5.-6.].

Begleiterkrankungen:

Kardiovaskuläre, orthopädische und metabolische Komorbiditäten (Adipositas, Kachexie, Diabetes) sind bei COPD-Patienten sehr häufig. In der RIMTCORE-Studie betraf dies 64%, 58% bzw. 55% von 602 konsekutiven COPD-Rehabilitanden. Für diese ist eine Fortführung des Trainings ohne fachkompetente Supervision schwierig, wenn nicht gar kontraindiziert. Auch daher ist für solche Patienten der unbegrenzte Zugang zum supervidierten Lungensport erforderlich,

z.B.:

  • Koronare Herzkrankheit: Hier ist zu entscheiden, ob der Reha-Sportler besser in einer Herzgruppe aufgehoben ist.
  • Arterieller Hypertonus (Bluthochdruck): Ein hoher Blutdruck kann zu Luftnot führen, indem das Herz belastet wird. Blutdruckmessungen sind hierbei angezeigt.
  • Osteoporose: Aufgrund der Gefahr von Knochenbrüchen, insbesondere der Wirbelkörper sollte Sport unter Anleitung eines geschulten Übungsleiters erfolgen. Die Teilnahme am Sport sorgt für eine bessere Knochenstabilität und ist deshalb unbedingt zu empfehlen.
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): Im Rahmen dieser Erkrankung können Entgleisungen des Stoffwechsels mit einem zu hohen oder – noch bedenklicher – zu niedrigem Blutzuckerspiegel auftreten. Daher ist auch hier ein erhöhter Überwachungsbedarf gegeben

COPD-Patienten (auch in Deutschland, vergl. [4.]) leiden sehr häufig unter psychischen Komorbiditäten (Depression und COPD-spezifische Ängste [3.]), welche durch Training und Reha verbessert werden können. Gerade diese Patienten, die zu sozialer Isolierung neigen („Loneliness“ [2.]), profitieren vom Gruppensetting im Lungensport. In einer bisher noch nicht publiziertenStudie zeigte es sich, dass gerade diese sozialen Aspekte ½ Jahr nach einer Reha wieder schlechter werden, daher ist die Fortsetzung in Form des Lungensports bei COPD-Patienten mit psychischen Komorbiditäten notwendig

Weitere Evidenz zum Lungensport unter [7.] und [8.-9.]. In [8] werden u.a. Studien zitiert, die über mehrere Jahre gingen.

Literatur:

[1]. Reijnders T, Schuler M, Wittmann M, Jelusic D, Troosters T, Janssens W, Stenzel N, Schultz K, von Leupoldt A. The impact of disease-specific fears on outcome measures of pulmonary rehabilitation in patients with COPD Respiratory Medicine 146 (2019) 87–95.

[2.] Reijnders T, Schuler M, Jelusic D, Troosters T, Janssens W, Schultz K, von Leupoldt A. The Impact of Loneliness on Outcomes of Pulmonary Rehabilitation in Patients with COPD. COPD. 2018 Nov 7:1-8. doi: 10.1080/15412555.2018.1471128.

[3.] Schuler M, Strohmayer M, Mühlig S, Schwaighofer B, Wittmann M, Faller H, Schultz K. Assessment of depression before and after inpatient rehabilitation in COPD patients: Psychometric properties of the German version of the Patient Health Questionnaire (PHQ-9/PHQ-2). J Affect Disord. 2018 May;232:268-275. doi: 10.1016/j.jad.2018.02.037. Epub 2018 Feb 21.

[4.] Schultz K, Jelusic D, Wittmann M, Krämer B, Huber V, Fuchs S, Lehbert N, Wingart S, Stojanovic D, Göhl O, Alma HJ, de Jong C, van der Molen T, Faller H, Schuler M. Inspiratory muscle training does not improve clinical outcomes in 3-week COPD rehabilitation: results from a randomised controlled trial. Eur Respir J. 2018 Jan 25;51(1).

[5.] Foglio K, Bianchi L, Bruletti G, Porta R, Vitacca M, Balbi B, Ambrosino N.Seven-year time course of lung function, symptoms, health-related quality of life, and exercise tolerance in COPD patients undergoing pulmonary rehabilitation programs. Respir Med. 2007 Sep;101(9):1961-70. Epub 2007 May 24.

[6.] Stav D, Raz M, Shpirer I. Three years of pulmonary rehabilitation: inhibit the decline in airflow obstruction, improves exercise endurance time, and body-mass index, in chronic obstructive pulmonary disease. BMC Pulm Med. 2009 May 30;9:26. doi: 10.1186/1471-2466-9-26.

[7.] Göhl O, Linz H, Schönleben T et al. Benefits of a multimodular outpatient training program for

patients with COPD. Pneumologie 2006; 60: 529–536

[8.] Spielmanns M et al. Lungensport: Lungensport: Ambulantes Sportprogramm hilft langfristig bei COPD. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1001–1005

[9.] Spielmanns M et al. Ambulanter Lungensport: Eine effektive Therapieoption. DÄB 2019

Einspruch gegen die Ablehnung einer weiteren Verordnung von Lungensport

application/pdf MusterbriefAblehnungLuSpo_pdf.pdf (75,4 KiB)

Rechtssprechung

BSG-Urteil: Rehabilitationssport in Gruppen ist längerfristig auch dann möglich, wenn der Versicherte bezogen auf diesen Sport über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.

Das Bundessozialgericht stellt mit Urteil vom 02.11.2010 (B 1 KR 8/10 R) fest, dass eine längerfristige Gewährung von Rehabilitationssport in der Gruppe unabhängig davon zu beurteilen ist, ob der Versicherte eigenverantwortlich und selbstständig aufgrund seiner Kenntnisse in diesem Sport agieren könnte. Die beklagte Krankenkasse hatte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit einer Prüfung des Antrages des Klägers auf Rehabilitationssport, hier „Bewegungsspiele in Gruppen“, beauftragt. Die Ärzte des MDK hielten die Bewegungstherapie für unbedingt erforderlich, konnten einer Befürwortung der Leistungsgewährung über die festgelegte Leistungshöchstdauer hinaus jedoch nicht zustimmen aufgrund der in der Rahmenvereinbarung festgelegten Bedingung: nur bei krankheits-/behinderungsbedingt fehlender Motivation.

Vor diesem Hintergrund und dem bereits erfolgten Urteil zum Funktionstraining vom 17.06.2008 begründete das Bundessozialgericht seine Entscheidung vom 02.11.2010 (B 1 KR 8/10 R) unter anderem damit, dass den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen ist und insoweit der Sport in der Gruppe mit vergleichbar Betroffenen (Gemeinschaftserlebnis) in besonderer Weise rehabilitative Wirkung habe.

Folglich ist die Notwendigkeit für den Rehabilitationssport in Gruppen unabhängig davon zu beurteilen, über welche individuellen Vorkenntnisse der Leistungsberechtigte verfügt.

Urteil des Bundessozialgerichts zur Leistungshöchstdauer von Funktionstraining vom 17. Juni 2008 (B 1 KR 31/07 R)

Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen. Das LSG Rheinland-Pfalz hatte zuvor den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Teilnahme am Funktionstraining vom 1.4.2005 bis 31.3.2006 mit der Begründung verneint, dass die Dauer des Funktionstrainings grundsätzlich auf 24 Monate begrenzt ist. Diese Argumentation wurde vom Bundessozialgericht (BSG) nicht aufrecht erhalten. Nach Meinung des BSG lässt sich dem Begriff „Funktionstraining“ weder nach Wortlaut noch nach Entstehungsgeschichte oder Regelungszusammenhang eine „immanente zwangsläufige Leistungsdauer“ entnehmen. Eine Einschränkung der Anspruchshöchstdauer ergibt sich derzeit nur dadurch, dass die Leistungen im Einzelfall geeignet, notwendig und wirtschaftlich sein müssen.

Die Regelung in der „Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining“, die das Funktionstraining auf 24 Monate begrenzt, ist laut BSGnichtig, da den Partnern der Rahmenvereinbarung keine Regelungsbefugnis eingeräumt wurde, den krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch zu befristen.